Die Welt steht Kopf - Debussy |
 |
Es war eine Ewigkeit her, dass ich mich hier hatte blicken lassen. Wie viele Jahre es genau her war, dass ich das letzte Mal hier an der Küste gewesen war, in diesem wundervollen Stück Land. Ich hatte keine Ahnung mehr.
Jahre, so viel stand fest.
Damals hatte ich gehen müssen, es hatte so viele Gründe gegeben, warum ich nicht mehr länger hatte bleiben können, warum ich ausbrechen musste aus den bekannten Gefilden, warum ich fort musste. Weit weg, hatte ich damals gedacht, bis ans Ende der Welt und nie wieder zurück kehren. Nie mehr wieder dieses Land sehen, mit dem ich so viele Erinnerungen verband. Und doch war es heute so weit, heute setzte ich meine Hufe zurück auf den Boden, der einst meine Heimat war und fragte mich, ob es wieder meine Heimat werden könne.
Heimat ist da wo das Herz wohnt.
Wohnte hier mein Herz?
Manchmal fragte ich mich, ob mein Herz überhaupt noch lebte nach all den Qualen, die ich in meinem Leben schon ertragen hatte müssen. Es gab Tage an denen fragte ich mich, wie lange man weinen musste, bis alle Tränen aufgebraucht waren. Es gab Tage an denen fühlte ich mich leer geweint, als hätte ich nie in meinem Leben mehr auch noch eine Träne in meinem Körper, die ich vergießen könnte.
Leben war nicht einfach, aber irgendwie ging es immer weiter, irgendwie ging es voran. Ich hatte so vieles erlebt, sicherlich, auch vieles auf das ich lieber verzichtet hätte. Aber es machte mich zu der, die ich heute war, es gehörte alles zu mir, das war alles ich. Klar, ich war nicht auf alles stolz, was ich getan hatte, manches verteufelte ich auch, aber einiges, was ich vielleicht besser hätte bereuen sollen, bereute ich nicht.
Weil es mir Spaß macht..
Lächelnd trat ich nun auf den Sand, schritt herüber zum Wasser. Das Köpfchen reckte ich in die Höhe, die blonde Mähne flog durch die Luft, der Wind zerrte an ihr, doch ich ließ mich nicht beirren, trat mit den Vorderhufen ins salzige Wasser und beobachtete, wie das Wasser meine Hufe umspülte.
Weil es mir Spaß macht..
Der Satz, der mich so sehr auf die Palme gebracht hatte, wie nie etwas anderes zuvor... und dann war ich ausgerastet, eine ganz kurze, heftige Reaktion meinerseits, die ich weder geplant, noch geahnt, noch überlegt ausgeführt hatte. Es war die Instinktive Reaktion gewesen, die in diesem Moment meinen Körper durchflutete. Ich hatte Ausgeholt und ihm eine verpasst. Mein Huf hatte seine Haut getroffen, dann war ich gegangen. Ich hatte ihn keines Blickes mehr gewürdigt. und er? R hatte gesagt
Wie kann man so schnell einfach alles kaputt machen? Dann war er gegangen. Und ich auch. Jeder seinen Weg und uns beiden war wohl klar, dass wir uns nicht wieder sehen würden.
Wieder hatte ich an dem Punkt gestanden, gehen zu müssen weit fort, am besten bis ans Ende der Welt.
Und dann hatte ich mich entschieden. Eine Reise in die Vergangenheit anzutreten, zurück dahin zu gehen, wo ich die meisten, glücklichen Momente meines Lebens erlebt hatte. Und somit war klar gewesen, ich würde zurück zu Feuerschweif gehen, zurück in die Lande, in denen ich frei sein konnte, ich sein konnte. Ohne Angst davor zu haben, dass ich ihn wieder sehen musste.
Den Hengst, der mir mein Herz gestohlen hatte, mit dem ich lange Zeit so hoch geflogen war und mit dem ich dann die heftigste Bruchlandung meines Lebens hingelegt hatte.
Ich ließ meinen Blick schweifen, die Weite die man hier am Meer erleben konnte hatte mich schon immer besonders fasziniert. Sie beruhigte mich und erfüllte mich mit dem wunderbaren Gefühl angekommen zu sein. Wieder da zu sein, wo ich hin gehörte.
Eine heftige Windböhe riss an meiner Mähne, trieb die Wellen höher, die nun brachen und zum teil Spritze die Gischt an meine Brust. Ich musste lachen, lachte lauthals in den Wind.
Hier war alles gut, denn ich war zurück und ich hatte beschlossen, dass es genug der Trauer war, nun galt es zu leben, für mich, für niemanden sonst. Denn ich war stark und ich brauchte niemanden, ich war mir selbst genug.
Und das war das erste Mal in meinem Leben, dass mir dies bewusst wurde.
__________________
 Stute - *2006 - viel zu dick
Einmal, nur ein einziges mal
möchte ich auch so schön sein!
Dann haben mich bestimmt auch all die anderen Tiere
einmal richtig lieb!

Man könnte es auch leichter haben, aber wer sagt denn,
dass das Leben immer leicht sein muss?
Eikes
Text aus "die Gesichte vom hässlichen Entlein"
|